Berlin – Wie man dem Kulturgut deutsche Sprache am besten zur Wertschätzung verhilft, darüber diskutierten bekennende Liebhaber des Deutschen am Dienstag, 24. November, im Atrium der F.A.Z.-Redaktion in Berlin-Mitte.
Streitgespräch: Monika Dittrich, Klaus Reichert und Wolfgang Börnsen
„Sprache von Welt? Streiten über Deutsch“ lautete das Thema des Abends. Rund 150 Gäste waren der Einladung der Deutschen Welle und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gefolgt.
Mit Emine Sevgi Özdamar, in Berlin lebende Schriftstellerin, Schauspielerin und Regisseurin, diskutierten auf dem Podium: Klaus Reichert, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Darmstadt; Wolfgang Börnsen (Bönstrup), MdB/CDU, und Edo Reents, F.A.Z. Mit beeindruckender Wortakrobatik hatte der Slam-Poet Bas Böttcher auf das Thema eingestimmt. DW-Journalistin Monika Dittrich moderierte den Abend.
Erik Bettermann übergab Emine Sevgi Özdamar, Klaus Reichert und Edo Reents die Publikation "Deutsch - Sprache von Welt?"
In seiner Begrüßung gab Erik Bettermann, Intendant der Deutschen Welle, Anregungen für einen konstruktiven Streit über Deutsch. Dabei skizzierte er auch die Rolle der DW bei der Förderung der deutschen Sprache weltweit – „als Teil unseres gesetzlichen Auftrags“.
Emine Sevgi Özdamar wollte sich nicht entscheiden – zwischen ihrer türkischen Muttersprache und ihrer neuen Liebe, der deutschen Sprache. Sie entschied sich, sie „wie Ehemann und Geliebten“ zu betrachten.
Deutsch ins Grundgesetz?
Ein Thema: Soll Deutsch als Staatsziel im Grundgesetz verankert werden? Unbedingt, meint Wolfgang Börnsen. 18 EU-Mitglieder hätten ihrer Landessprache Verfassungsrang eingeräumt. Angesichts nachlassender Deutschkenntnisse unter Schülern, einem ständigen Zuwachs „unsinniger Anglizismen, die vor allem die Älteren überfordern“, sei es wichtig, ein Zeichen zu setzen, so der streitbare MdB. Deutsch ins Grundgesetz – für Edo Reents „eine Schnapsidee“. Sprache lasse sich nicht verrechtlichen und Sprachkompetenz könne man so auch nicht erhöhen. Nicht Anglizismen müsse man beklagen, sondern einen Verfall sprachlicher Korrektheit und Genauigkeit.
Mahnung an die Wissenschaft
Professor Reichert sprach sich ebenfalls gegen Deutsch als Staatsziel aus. Vielsprachigkeit sei das Gebot und Voraussetzung dafür die genaue Kenntnis der eigenen Sprache. Die Sprache sei robust genug, „nur das aufzunehmen, was sich durchsetzt, und das wieder abzustoßen, was sich nicht etabliert“. Das „Desaster der Rechtschreibreform“ sei mahnendes Beispiel dafür, dass man Sprache nicht obrigkeitlich regeln könne. Reichert mahnte auch die Wissenschaft, nicht auf Englisch, sondern auf Deutsch zu publizieren. „Vor allem die Geisteswissenschaftler sollten die Finger davon lassen.“ Denn, so Reichert, sie hätten im Englischen bei weitem nicht die Ausdrucksmöglichkeiten wie in ihrer Muttersprache.Wortakrobat: Slam-Poet Bas Böttcher
Während die einen – wie Emine Sevgi Özdamar – über Brecht und Heine zur deutschen Sprache gefunden haben, geht es jungen Menschen heute eher um handfeste Interessen, die deutsche Sprache zu erlernen. Für Indien hob dies DW-Redakteur Sanjiv Burman hervor.
„In der Fremdsprache haben die Wörter keine Kindheit“, so Schriftstellerin Özdamar, die eine sehr persönliche Außenperspektive einbrachte. Deutsch habe ihr eine „Freiheit des Ausdrucks“ ermöglicht, die ihr in der Türkei lange verwehrt geblieben sei.
Freiheit – ein Stichwort auch für Bas Böttcher: „Die Regeln der Sprache geben uns auch die Freiheit, richtige Fehler zu machen“, so der Slam-Poet zum Ausklang.